Bestehende Maßnahmen im Handlungsfeld Jugend(-arbeit)
Wie auch für das Handlungsfeld Schule sollen die entwickelten Ziele und Maßnahmen im Bereich Jugend(-arbeit) Impulse für die Fortentwicklung der Arbeit mit Jugendlichen geben. In Solingen gibt es viele Einrichtungen, sowohl in städtischer wie auch in freier Trägerschaft, die Offene Kinder- und Jugendarbeit leisten. Ein ebenfalls wichtiges Angebot gibt es in der Jugendverbandsarbeit. Seit vielen Jahren engagieren sich die Einrichtungen der Jugendarbeit sowohl in ihrer alltäglichen Arbeit als auch durch Projekte und Aktionen mit Kooperationspartnern für Teilhabe und Demokratie sowie gegen Diskriminierung und Rechtsextremismus. Die Förderung jugendpolitischer Teilhabe und die Bekämpfung von Rassismus und Rechtsextremismus werden somit durch die Jugendarbeit vorangetrieben und teilweise bereits erreicht. Im Folgenden soll ein Überblick über diese Arbeit gegeben werden, um unter anderem auf dieser Grundlage weiterführende Ziele und Maßnahmenideen entwickeln zu können.
Stadtdienst Jugendförderung
Der Stadtdienst Jugend, Abteilung Jugendförderung der Stadt Solingen beschäftigt sich mit der Kinder- und Jugendförderung der Altersgruppe 6 – 27 Jahren. Zur Abteilung gehören die Einrichtungen der offenen Kinder- und Jugendarbeit (Häuser der Jugend), der Kinder- und Jugendschutz, Jugendgerichtshilfe, die Geschäftsstelle des Jugendstadtrates, die freie Jugendhilfe, Jugendleitercard, Jugendpflege, Jugendverbandsarbeit (Auszahlung von Zuschüssen), das Jugendbeteiligungsprojekt fYOUture und das Jugend- und Spielmobil. Die Jugendförderung beteiligt sich bei vielen jugendpolitischen und jugendkulturellen Projekten und Angeboten in der Stadt und ist für zivilgesellschaftliche Akteure ein wichtiger Kooperationspartner.
„fYOUture – Wenn Demokratie leben lernt“
fYOUture ist ein Modellprojekt zur Förderung demokratischer Partizipation und politischer Artikulation junger Menschen in der Stadtgesellschaft. Die Projektlaufzeit beträgt drei Jahre und endet im August 2020. Die Handlungsstrategie soll sich zum einen durch die Förderung einer vielfältigen Jugendbeteiligung, zum anderen durch die Berücksichtigung und Anerkennung von Jugendlichen, ihren Perspektiven und Anliegen innerhalb Kommunalpolitik, Verwaltung und Jugendarbeit, auszeichnen. Übergeordnetes Ziel des Modellprojekts ist es, eine kommunale Gesamtstrategie zur Förderung und nachhaltigen Verankerung einer vielfältigen Jugendpartizipation zu entwickeln und umzusetzen.
Um das Bewusstsein zur flächendeckenden Verankerung von Jugendgerechtigkeit und -partizipation in der Stadtgesellschaft zu verankern, werden verschiedene Maßnahmen durchgeführt:
Jugendpolitische Trialoge: auf ganztätigen Workshops haben Jugendliche, Verwaltung und Politik gemeinsam die Möglichkeit, eine kommunale Handlungsstrategie für eine flächendeckende Jugendgerechtigkeit und Jugendpartizipation zu entwickeln
Fortbildungen für Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker und Mitarbeitende der Verwaltung zur Sensibilisierung im Umgang mit Jugendlichen und zur Förderung der Anerkennungskultur
informelle Austauschmöglichkeiten zwischen allen Parteien (Partys, kulturelle Veranstaltungen)
Maßnahmen zum Ausbau einer vielfältigen Partizipation junger Menschen sind:
Angebote zur kommunalen Förderung der politischen Artikulation und Beteiligung: Jugendforen, politische Bildungsworkshops, Empowerment-Workshops, jugendkulturelle Veranstaltungen
Strategien zur jugendgerechten Öffentlichkeitsarbeit bzgl. Jugendbeteiligung
Entwicklung eines jugendgerechten Organigramms mit Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartnern aus Verwaltung und Kommunalpolitik
Strategien zur Partizipation benachteiligter Jugendlichen: Kooperation mit dem Patenschaftsprojekt Peer2Peer und durch Angebote im öffentlichen Raum
Jugendstadtrat
Das Ziel dieser Jugendvertretung ist es, Jugendlichen ein Forum für ihre Visionen, Meinungen und Forderungen zu geben, um auf diese Weise gesellschaftliche Prozesse mitzugestalten. Vertreterinnen und Vertreter des Jugendstadtrats (JSR) nehmen an den Sitzungen des Rates, der Ausschüsse und der Bezirksvertretungen teil. Der JSR fungiert ähnlich wie ein Beirat. Er besteht aus 29 Solinger Jugendlichen im Alter zwischen 14 und 21 Jahren, die von den Schülerinnen und Schülern (SuS) der weiterführenden Schulen gewählt werden. Ca. ein Drittel der Mitglieder des Jugendstadtrates haben Migrationshintergrund. Eine derartige Quote findet sich weder im Stadtrat noch in anderen Solinger Gremien. Somit kann der Jugendstadtrat auch als Vorbild für die Interkulturelle Öffnung in der Politik gesehen werden. Die Amtszeit des JSR beträgt drei Jahre. Die Geschäftsführung des Jugendstadtrates wird von der Jugendförderung übernommen.
Der Jugendstadtrat untergliedert sich in mehrere Arbeitsgruppen, wobei eine sich explizit mit Diskriminierung und Rassismus beschäftigt:
Die AG Pro Agenda/Contra Nazi hat es sich zur Aufgabe gemacht, geflüchtete Kinder und Jugendliche in Solingen zu unterstützen und gegen Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit in der Stadt zu kämpfen. Dabei beteiligen sich die Jugendlichen jedes Jahr an dem interkulturellen Fest „Leben braucht Vielfalt“, an dem Gedenktag zur Reichspogromnacht am 9. November und an den Antirassismus-Tagen. Darüber hinaus setzen aktive Jugendliche eigene Schwerpunkte ihrer Arbeit und entwickeln dazu Aktionen.
Die Jugendförderung und der Jugendstadtrat werden ab 2019 in den neuen Räumen des Hauses der Jugend an der Dorper Straße ansässig sein. So ergibt sich eine stärkere Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedern des Jugendstadtrates, den Kindern und Jugendlichen, die die Einrichtung täglich besuchen und dem Team der Jugendförderung. Dadurch können eventuelle Berührungsängste von Jugendlichen gegenüber dem Jugendstadtrat abgebaut werden sowie Kinder- und Jugendliche für die Arbeit dieser Jugendvertretung gewonnen werden.
In diesem Projekt wird versucht, subjekt-, sozialraum- und bildungsorientiert benachteiligten Kindern und Jugendlichen Möglichkeiten zu gesellschaftlichem Engagement zu eröffnen. Dies geschieht, indem Themen und Interessen gerade der Jugendlichen aufgegriffen werden, die bisher von Fachkräften als eher wenig engagiert und gelangweilt wahrgenommen wurden. Der GEBe-Ansatz wird bereits in einer Modelleinrichtung der Offenen Kinder- und Jugendarbeit in Solingen durchgeführt. Ziel der Jugendförderung ist es, diesen Ansatz flächendeckend in der Solinger Jugendarbeit zu installieren. Dazu soll im Juni 2019 beim Landesjugendamt ein Antrag zur Installierung des Ansatzes in den drei kommunalen Jugendeinrichtungen unter fachlicher Begleitung gestellt werden. Ab 2021 ist angedacht, den GEBe-Ansatz auch in der Offenen Kinder- und Jugendarbeit unter freier Trägerschaft zu implementieren. Letztlich soll der Ansatz in den Kinder- und Jugendförderplan für die neue Ratsperiode ab 2020 aufgenommen werden.
(1) Beobachtung und Dokumentation des konkreten Handelns Jugendlicher: Im ersten Schritt geht es darum, das Handeln Jugendlicher zu beobachten und zu dokumentieren. Dabei kann es sich um Unterhaltungen oder Streitsituationen untereinander handeln.
(2) Auswertung der Beobachtung: Im nächsten Schritt geht es darum, die eigene Beobachtung von individuellen Interpretationen, Zuschreibungen und Vorurteilen zu befreien – dies geschieht im Idealfall in Absprache mit dem Team vor Ort. Es sollte überlegt werden, welches (gesellschaftliche) Thema im Handeln der Jugendlichen steckt. Es kann zum Beispiel um Themen wie Zugehörigkeit in der Gruppe, Partykultur oder konkrete Wünsche der Freizeitgestaltung gehen. Außerdem muss überlegt werden, wie das Thema den Jugendlichen gespiegelt bzw. wie Ihnen eine entsprechende Resonanz gegeben werden kann.
(3) Resonanz: Den Jugendlichen wird nun eine entsprechende Resonanz gegeben.
Beispiel: Viele Jugendliche spielen das Spiel „Fortnite“. Nach dieser Beobachtung und der entsprechenden Auswertung wird das Bild des Spiels großflächig ausgedruckt und beim nächsten Öffnungstag ausgelegt, um zu schauen wie die Jugendlichen darauf reagieren.
(4) Erarbeiten eines Programmpunktes: Im Folgenden werden auf Grundlage des Ergebnisses der Resonanz, mit den beteiligten Kinder und Jugendlichen, Programmpunkte erarbeitet. Diese Programmpunkte spiegeln so die unverfälschten Interessen der beteiligten Kinder und Jugendlichen wieder. Jedes Projekt und jeder Programmpunkt auf dieser Grundlage, kann als gesellschaftliches Engagement eingeordnet werden: Es findet in der Lebenswelt der beteiligten Kinder und Jugendlichen statt, bzw. hat sich aus der individuellen Lebenswelt entwickelt. Ziel ist es, aus dieser Lebenswelt heraus zu zeigen, dass Beteiligung möglich ist, direkt, nahbar und ohne eine Aufgabenstellung von außen zu erfüllen.
Durch die Arbeitsweisen des GEBe-Ansatzes wurde es den Fachkräften möglich, die Anliegen der Jugendlichen und ihre Themen/Motive zu gesellschaftlichem Engagement zu entdecken.
Um das umfangreiche Angebot der Offenen Jugendarbeit und der Jugendverbandsarbeit dokumentieren zu können, wurden die einzelnen Einrichtungen und Verbände sowohl telefonisch als auch schriftlich kontaktiert. Die Gesamtheit dieser Angebote konnte allerdings nicht ermittelt werden, da der Kontakt nicht zu allen Akteuren hergestellt werden konnte. Folgend finden sich die Ergebnisse aus dieser Recherche.
Offene Kinder- und Jugendarbeit
Offene Kinder- und Jugendarbeit bedeutet, dass die Angebote ohne weitere Verpflichtungen von jedem Mädchen und Jungen besucht werden können. Sie sind also nicht an eine Mitgliedschaft oder kontinuierliche Teilnahme gebunden und in der Regel kostenfrei. Im Rahmen der Offenen Jugendarbeit stellt die Jugendförderung Angebote zur Verfügung, die einen pädagogischen, sozialpolitischen und soziokulturellen Auftrag erfüllen. Die Angebote der Offenen Kinder- und Jugendarbeit haben den Anspruch, sämtliche Zielgruppen der Altersgruppe zwischen 6 und 27 Jahren zu erreichen, unabhängig von Bildungs- oder Migrationshintergrund, sozialer Lage oder Geschlecht. Die Angebotsorte und -formen sind dabei sehr vielfältig. Sie reichen von Jugendzentren, Häusern der offenen Tür, Kinder- und Jugendtreffs, Spielmobilen, Abenteuerspielplätzen bis hin zu Schulen, in denen Freizeitmöglichkeiten, Projektarbeit zu bestimmten Fragen, sportliche Aktivitäten, Medienangebote, Hausaufgabenhilfen und vieles mehr angeboten wird.
In der Offenen Jugendarbeit können sich Jugendliche in den alltäglichen Arbeitsformen beteiligen und Einfluss nehmen. Die Recherchen zu den Angeboten in der Jugendarbeit vor Ort haben ergeben, dass neben festen Beteiligungsstrukturen die Mitwirkung von Jugendlichen oft spontan geschieht und die Basis der Offenen Jugendarbeit darin besteht, Räume, Zeiten und Sozialstrukturen für die spontanen Aktivitäten der Jugendlichen zur Verfügung zu stellen. Insofern gestalten die Teilnehmenden ständig mit was in der Einrichtung geschieht.
Neben der alltäglichen Beteiligung der Jugendlichen, spielt die Mitbestimmung bei konkreten Projekten eine ebenso große Rolle. Die Beteiligungsform ist hierbei auf Themen, Teilnehmer und eine Durchführungszeit mit einem klaren End- oder Produktziel beschränkt. Dabei werden Projekte auch von den Jugendlichen selbst initiiert und nicht nur von der Leitung vorgegeben. Die (Neu-)gestaltung der Räume in der Einrichtung ist ein bekanntes Beispiel für eine projektorientierte Beteiligung, welche auch in den Solinger Einrichtungen durchgeführt wird.
Dauerhaft strukturiert bieten Einrichtungen den jungen Besucherinnen und Besuchern die Gelegenheit, das alltägliche Programm und dessen Ausgestaltung zu bestimmen, etwa in Form von punktueller Beteiligung, welche anhand von Fragebögen, Ideensammlungen oder der Organisation von Veranstaltungen und Ausflügen regelmäßig stattfindet. Ideen der Jugendlichen werden gesammelt und anschließend gemeinsam ausgewertet und transparent gemacht, sodass die Jugendlichen sehen können, welche Ergebnisse erzielt wurden. Die Transparenz von Mitbestimmungsprozessen steigert auch auf Dauer die Selbstwirksamkeitsüberzeugung der Jugendlichen. In den Solinger Einrichtungen werden auch längerfristige Projekte wie Ferienprogramme mit den Jugendlichen gemeinsam evaluiert, sodass Gestaltungswünsche aufgenommen werden können.
Zum Teil wird den Jugendlichen in der Offenen Jugendarbeit die Verantwortung für Angebote im Jugendhaus übertragen. In einer Solinger Jugendeinrichtung kümmern sich die Jugendlichen zum Beispiel um die hauseigene Bibliothek und verwalten die Ausleihe von Medien, schreiben Mahnungen und beschaffen neue Bücher.
Bezüglich der Neugestaltung des Hauses der Jugend an der Dorper Straße hat sich in Zusammenarbeit mit dem Projekt fYOUture eine Planungsgruppe gegründet, welche nicht nur die Gestaltung der Räume organisiert, sondern auch inhaltlich arbeitet. Hier arbeiten Jugendliche mit Jugendarbeiterinnen und Jugendarbeitern zusammen, um ein neues Konzept für die Kinder- und Jugendarbeit im Haus der Jugend zu erstellen.
Während Maßnahmen und Strukturen zur Beteiligung der Jugendlichen flächendeckend in den Einrichtungen der Offenen Jugendarbeit umgesetzt werden, spielen solche Maßnahmen im Bereich Antidiskriminierung eine eher untergeordnete Rolle. Viele Einrichtungen verweisen darauf, dass eine diskriminierungsfreie und antirassistische Arbeitsweise die Grundlage sei. Inwiefern diese Einstellung auch Teil der Leitbilder in den Einrichtungen ist und offensiv nach außen kommuniziert wird, konnte im Zuge der Recherche nicht abschließend ermittelt werden.
Gesichert ist jedoch, dass die Einrichtungen der offenen Kinder- und Jugendarbeit in Solingen sich in verschiedenen Formen und Projekten punktuell gegen Diskriminierung engagieren. Einige Häuser weisen auf ihre vielfältige Besucherschaft hin, die aus Jugendlichen mit verschiedenen Herkünften bestehe. Somit würden die Jugendlichen sowie die Jugendarbeiterinnen und Jugendarbeiter täglich mit verschiedenen Sprachen und Kulturen konfrontiert. Das fördere die interkulturelle Arbeit. Somit würden sich auch neue Projekte ergeben, die fest institutionalisiert würden. Als Beispiel können hier (kulturelle) Kochduelle genannt werden, die in einer Solinger Jugendeinrichtung zum festen Bestandteil gehören. Die Kinder und Jugendlichen bringen landestypische Rezepte mit, die in zwei Teams parallel gekocht werden. Dabei wird die Möglichkeit gegeben die Essens- und Tischkulturen aus verschiedenen Ländern kennenzulernen und sich intensiv mit dem „Gastgeberland“ auseinanderzusetzen. Der vielfältige Sozialraum der Jugendeinrichtung prägt auch die Auseinandersetzung der Einrichtung mit fremden Kulturen und religiösen Festen. So wird an einigen Tagen am Ramadan und mit den Familien im Quartier am Iftar teilgenommen.
Weitere Mittel, die in einzelnen Einrichtungen eingesetzt werden, sind Sozialkompetenztrainings, bei denen die Vermittlung von gegenseitigem Respekt eine zentrale Rolle spielt und somit auch den Aspekt der Menschenwürde aufgreifen. Bei den durchgeführten Anti-Gewalttrainings wird bei Bedarf Gewalt auch in Zusammenhang mit Rassismus und kulturellen Konflikten mit den Jugendlichen thematisiert. Darüber hinaus ermöglichen es diese Methoden den Jugendlichen, zu lernen im Team zu arbeiten und Selbstvertrauen zu gewinnen.
Einzelne Einrichtungen der Offenen Jugendarbeit beteiligen sich am Projekt „Spurensuche“, das gemeinsam mit dem Kulturzentrum COBRA durchgeführt wird. Jugendliche beschäftigen sich mit alltäglicher Diskriminierung und wie sie damit umgehen. Aus diesem Projekt ist eine ständige Ausstellung entstanden, die im Rahmen des Theaterprojekts „Alte Spuren-Neue Wege“ präsentiert wurde. Die Gestaltung dieses Projekts war partizipativ ausgerichtet und ist auf Initiative von Jugendlichen realisiert worden.
Eine weitere Einrichtung der Offenen Jugendarbeit bietet den Jugendlichen einen geschützten Raum, in dem sie von eigenen Diskriminierungserfahrungen berichten können. Darüber hinaus wurden im Rahmen des Projektes NRWeltoffen kurze Befragungen mit Jugendlichen zu Diskriminierung und Integration in Solingen durchgeführt.
Die Jugendarbeiterinnen und Jugendarbeiter dieser Jugendeinrichtung nehmen zudem regelmäßig an Fortbildungen und fachspezifischen Netzwerktreffen teil, um zu lernen mit den Diskriminierungserfahrungen von Jugendlichen umgehen und die eigene Arbeit kritisch in Bezug auf Rassismus und Diskriminierung hinterfragen zu können.
Bei einzelnen Diskriminierungsfällen innerhalb der Einrichtungen werden auch die Eltern der Jugendlichen in den Klärungsprozess einbezogen, sodass diese beraten und gestärkt werden können.
Verbandliche Jugendarbeit
Jugendverbandsarbeit leistet einen wichtigen Beitrag zur Sozialisation und Persönlichkeitsbildung junger Menschen. Sie bietet vielfältige Chancen und Möglichkeiten der Selbstorganisation, der Interessenvertretung, der politischen Bewusstseinsbildung, des Ehrenamts, der Freizeit und Erholung. Die Angebote der verbandlichen Jugendarbeit richten sich an alle jungen Menschen und eröffnen soziale Räume zur Selbstbestätigung und Mitverantwortung.4 Jugendverbandsarbeit bietet neben Familie und Schule Orientierung und ein Experimentier- und Erlebnisfeld. Die Wünsche, Ideen und Probleme von Jugendlichen werden berücksichtigt. Die Jugendverbandsarbeit vor Ort kann methodisch vielfältig sein: nebeneinander existieren kontinuierliche als auch offene Formen, wie etwa Gruppenstunden oder Projektarbeit. Viele Verbände sind Träger von Bildungsseminaren, Fahrten und Freizeiten, internationalen Jugendbegegnungen und Schulungen für Multiplikatoren.5 Im Stadtjugendring organisieren sich die verschiedenen Träger und Vereine der Jugendarbeit in Solingen. Dabei nehmen auch Jugendliche selbst an den Vorstandssitzungen als Vertreter teil und repräsentieren somit den gesamten Jugendverband in diesem Netzwerk. Jugendliche von insgesamt 23 verschiedenen Jugendvereinen, -verbänden und –initiativen werden durch die Mitgliedervereine im Stadtjugendring vertreten.
Jugendverbände erfordern und bieten aufgrund ihrer Selbstorganisation innerhalb ihrer Strukturen vielfältige Möglichkeiten der Partizipation. Diese erfolgen in informeller Form (z.B. Jugendgruppen) oder auch in formeller Form (z.B. über Wahlen zu Gremien und Vertretungsstrukturen und Abstimmungen über inhaltliche Anträge auf Konferenzen). Jugendliche lernen über diese Formen der Beteiligung politische Abläufe kennen und darin zu agieren. Die Jugendverbände und –vereine in Solingen bieten den Jugendlichen beide Formen der Beteiligung. In einigen Vereinen wird in regelmäßigen Abständen ein Jugendvorstand gewählt, welcher die Jugendlichen innerhalb und außerhalb des Verbandes repräsentiert. Meist hat die oder der Jugendvorsitzende auch ein Stimmrecht im Vorstand des gesamten Verbandes. Diese Strukturen finden sich in Vereinen, wo sich nicht nur Jugendliche, sondern auch Erwachsene organisieren.
Ein weiteres wichtiges Gremium in einem Jugendverband ist ein sogenanntes Jugendforum: Die Jugendlichen wählen Delegierte in dieses Gremium, um den Mitgliedern auf Stadtebene eine Stimme zu geben. Darüber hinaus nehmen gewählte Sprecher des Jugendforums regelmäßig am Landesjugendforum des jeweiligen Landesverbandes, teil.
Teilweise gründen sich aber auch „lose“ Jugendgruppen innerhalb eines Verbandes, ohne die Wahl einer oder eines Vorsitzenden. So können sich die Jugendlichen als Gruppe organisieren und gemeinsame Aktionen durchführen.
Die Jugendlichen in den verschiedenen Verbänden verbindet jeweils ein gemeinsames Interesse. Sei es Sport, politische Bildung, Religion oder ein Hobby. Dazu organisieren die Jugendlichen auch in den Solinger Jugendverbänden regelmäßig, nach den eigenen Interessen und Prioritäten und in eigener Verantwortung, Aktionen, Veranstaltungen oder Freizeitfahrten. Diese Aktionen werden üblicherweise auf einer Jahreshauptversammlung der jeweiligen Organisationsebene (Ortsgruppe oder Regionalgruppe) des Verbandes für das gesamte Jahr über diskutiert und geplant.
Das ehrenamtliche Engagement ist eine zentrale Voraussetzung für die Beteiligung innerhalb eines Jugendverbandes. In Solingen organisiert und vergibt ein Jugendverband einen Ehrenamtspreis („Jugend belohnt Ehrenamt“) an Jugendliche, die sich ehrenamtlich in Sportvereinen engagieren.
Neben Beteiligung und Selbstorganisation spielen in der Jugendverbandsarbeit zahlreiche, von Jugendlichen selbst bestimmte Themen eine wichtige Rolle. Darunter fällt auch das Engagement gegen Gewalt, Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und für internationale Verständigung und Solidarität. In den Solinger Jugendverbänden kommen diese Themen vereinzelt vor. Doch alle befragten Jugendverbände unterstützen den Grundsatz, dass alle Jugendlichen unabhängig ihrer Herkunft, Sprache, Kultur gleich behandelt und Mitglied werden können, soweit sie die Ziele des Verbandes unterstützen und bei religiös geprägten Vereinen die konfessionelle Zugehörigkeit erfüllen.
Internationale Ferienzeiten bieten den Jugendlichen nicht nur die Chance; sich zu beteiligen, sondern auch die Gelegenheit im Ausland neue Sprachen, Kulturen und Menschen kennenzulernen. So wird der internationale Austausch zwischen jungen Menschen aus der ganzen Welt gestärkt. Ein Solinger Jugendverband ist Gründer und Träger des jährlichen Jugendaustausches zwischen Solingen und der Partnerstadt Thiès im Senegal. Für 14 Tage verbringen 10 Jugendliche ihre Zeit im entsprechenden Gastland, können ihre Fremdsprachenkenntnisse erweitern, lernen den Schulalltag kennen und erleben eine andere Kultur und das Familienleben bei den Gastfamilien. Der Solinger Jugendverband begleitet den gesamten Austausch und die jungen Gäste in Solingen.
In einem weiteren Jugendverband werden die Themen Rassismus und Diskriminierung angesprochen. Dabei geht es sowohl um die eigenen Diskriminierungserfahrungen, die dort in einem geschützten und vertrauten Raum angesprochen werden können, als auch um Vorurteile und Diskriminierungen, die unter den eigenen Mitgliedern vorkommen.
Viele Jugendverbände engagieren sich darüber hinaus jährlich beim Stadtfest „Leben braucht Vielfalt“, welches das Miteinander der verschiedenen Kulturen und Nationalitäten in Solingen in den Mittelpunkt stellt. Dort stellen sie ihre Arbeit vor und knüpfen Kontakt zu anderen Jugendverbänden.
Neben den Einrichtungen der Offenen Kinder- und Jugendarbeit und der Jugendverbandsarbeit gibt es im Stadtgebiet weitere Akteure, die sich im Bereich Jugend engagieren und im Rahmen von Kooperationen, sowohl mit städtischen als auch mit freien Trägern, Projekte und Aktionen für und mit Jugendlichen zu den Themen Teilhabe und Antidiskriminierung auf die Beine stellen. Eine Auswahl davon soll im Folgenden dargestellt werden.
Beratungs- und Projektbüro JUMP-IN
Das JUMP-IN (Jugend- und Migrationsprojekte in der Nordstadt) ist ein Beratungs- und Projektbüro für Jugendliche und junge Erwachsene mit Migrationshintergrund. Das JUMP-IN ist in Trägerschaft der AWO Arbeit & Qualifizierung gGMbH.
Im Rahmen der Kinder- und Jugendhilfe, Jugendsozialarbeit, (außer-) schulischer interkultureller Jugendbildungsarbeit, kultureller- sowie politischer Bildung setzt das JUMP-IN verschiedenste gemeinwesenorientierte Modellprojekte aus den Themenfeldern Integration/Migration, Jugend- und Bürgerengagement, Demokratie, Toleranz, Gewaltprävention, Antirassismus- und Antidiskriminierung und „Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit“ um. Projektbezogen werden zeitgemäße Konzepte der interkulturellen und politischen Jugendarbeit entwickelt. Das Projektbüro arbeitet in enger Kooperation mit vielen Akteuren, Einrichtungen und Netzwerken im Stadtteil.
Im JUMP-IN sind viele Projekte angesiedelt, die sich speziell an Jugendliche, sowohl mit als auch ohne Migrationshintergrund richten und in Trägerschaft der AWO Aqua gGmbH durchgeführt werden:
Youth Changemaker City Solingen ist ein Jugendprojekt, das sich zum Ziel gesetzt hat selbstbestimmtes und sozialunternehmerisches Jugendengagement zu fördern, Jugendliche in ihren Wünschen und Bedürfnissen zu stärken und ihnen Mut macht, Veränderungen aktiv anzugehen. Die Jugendlichen sind von der Idee bis zum Erfolg selbst verantwortlich, ihr Projekt ist gemeinnützig und erreicht möglichst viele andere Jugendliche. In einem regelmäßigen Changemaker-Café treffen sich interessierte und beteiligte Jugendlichen, um sich über die Projekte auszutauschen und neue zu entwickeln.
Bei der Umsetzung werden die Jugendlichen sowohl mit fachlichem Coaching als auch finanziell mit 400 € unterstützt. Die Jugendlichen können dadurch viel Selbsterfahrung und Selbstwirksamkeit gewinnen, sich aktiv an der Gestaltung ihrer Stadt beteiligen und auf diese Weise auch neue Freunde und andere Kulturen kennen lernen.
Ein Schwerpunkt des Projekts liegt darauf, moderierte Möglichkeiten des Austauschs und der Begegnung von Zugewanderten mit Solinger Seniorinnen und Senioren zu schaffen, auf beiden Seiten sprachliche und kulturelle Barrieren abzubauen, Kompetenzen zu stärken und jugendkulturelle Integrationsmöglichkeiten im Gemeinwesen aufzubauen, um damit Vorurteilen und abwertenden Haltungen entgegenzuwirken.
Dazu werden bei einigen Angebotsformen professionelle Referenten wie Musiktherapeuten, Autoren, Fotografen etc. engagiert, die das Voneinander lernen professionell unterstützen, bereichern und moderieren. Eines der Oberziele des Projekts ist es, die Lebenswelten von Neu- und Altzugewanderten durch die Interaktion mit Solinger Seniorinnen und Senioren deutlich zu machen.
Durchgeführt werden Aktionen wie gemeinsames Kochen und Essen, Spiele-Zirkel, ein Genera(k)tionen-Chor, gemeinsames Gärtnern, Sprach-Tandems etc. Etwa 10-15 junge Zugewanderte nehmen regelmäßig an den Angeboten teil.
Das Projekt „Nicht in meinem Namen“ hat das Ziel, „den Islam“ differenziert darzustellen, ein gesellschaftliches Bewusstsein für vorhandene Islamfeindlichkeit zu schaffen und Vorurteilen entgegenzuwirken. Ein Schwerpunkt des Projektes ist es, Jugendlichen Gehör zu verschaffen, ihnen Raum für Fragen zu geben und Handlungsmöglichkeiten gegen Diskriminierung aufzuzeigen. Im Projekt werden Bildungsworkshops im Bereich Islam, Islamfeindlichkeit und Identität angeboten, in denen Fragen und Vorurteile aufgegriffen und behandelt werden. Außerdem wird durch freizeitpädagogische Aktivitäten wie z.B. Fotoaktionen, Theater und Musik auf die Themen Diskriminierung und Islamfeindlichkeit aufmerksam gemacht.
Has(s)t du sie noch alle?! ist ein schulpastorales Projekt im Bergischen Land, welches in Zusammenarbeit verschiedener Stadtdienste mit Schulen, Wohlfahrtsverbänden, Jugendverbänden und dem Netzwerk „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“ und dem Kommunalen Integrationszentrum im Frühjahr 2018 erstmals stattgefunden hat. Das Projekt richtete sich an Gruppen aus Schule, Jugendarbeit, Jugendverbänden oder Sportvereine. Kinder und Jugendliche waren dazu aufgerufen, mit Songs, Performances, Texten oder Kurzfilmen einen inhaltlichen Beitrag für Toleranz und Menschlichkeit und gegen Rechtsradikalismus zu leisten. An verschiedenen Workshop-Tagen konnten die Gruppen ihre Ideen und Beiträge entwickeln, wo sie bei einer Abschlussveranstaltung dem Publikum präsentiert wurden. Eine Jury wählte die besten Beiträge aus und vergab erstmals im Jahr 2018 den RESPEKT-Preis.
Mission Bild machen: Digitale Zivilcourage und Counter Speech
Der zwei-Tagesworkshop in Kooperation zwischen dem JUMP-IN, dem Haus der Jugend Dorper Straße und der Jugendförderung richtete sich an interessierte Jugendliche zum Thema Hate speech9. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer im Alter von 14-21 Jahren hatten die Möglichkeit digitale Tools gegen Hate Speech, Shitstorms10, Rassismus im Internet usw. kennen zu lernen. Weiterhin wurden eigene Videos, Memes11 und GIFs12 erstellt, mit denen sich die Jugendlichen gegen Fremdenhass positionieren konnten.
„Respekt in Bus und Bahn“ ist eine Kampagne des Stadtjugendrings in Kooperation mit dem Jugendstadtrat, der Jugendförderung und der Arbeitsgemeinschaft Marketing des Fahrgastbeirats. Damit sollen die oft erfahrenen und beobachteten Diskriminierungen und Respektlosigkeiten im Solinger ÖPNV angesprochen werden. Auch in den Erhebungen mit Jugendlichen im Rahmen des Projektes NRWeltoffen wurde der ÖPNV oft als Ort für Diskriminierungen genannt.13 Während einer Veranstaltung zur allgemeinen Situation in den Bussen und der Bahn in Solingen wurden in einem Workshop Erfahrungen gesammelt, die im Fahrgastbeirat diskutiert und in die Politik getragen wurden.
Workshop-Reihe „Jihadromantik und Islamfeindlichkeit. Denken, Handeln, Erleben“
Das Projekt „Nicht in meinem Namen“, die Jugendförderung, das KI und die Wegweiser im Bergischen Land haben für Jugendliche eine Workshop-Reihe veranstaltet. An drei Tagen wurde Jugendlichen in den Herbstferien die Möglichkeit geboten, sich intensiv mit gewaltbereitem Extremismus und dem Umgang mit Islamfeindlichkeit auf künstlerische Art auseinanderzusetzen. Neben inhaltlichem Input durch Vorträge und einen Kinofilm, konnten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer in Workshops die Inhalte aus dem Vortag in einem Song oder Video einarbeiten. Zudem wurde am letzten Tag eine interreligiöse Fahrt unternommen, bei der eine Kirche, Moschee und Synagoge besucht wurden.