Eine einheitliche, allgemeingültige Definition von Antisemitismus existiert nicht. Die Historikerin Helen Fein definiert Antisemitismus als einen dauerhaft latenten
„Komplex feindseliger Überzeugungen gegenüber Juden als einem Kollektiv. Diese Überzeugungen äußern sich beim Einzelnen als Vorurteil, in der Kultur als Mythen, Ideologie, Folklore und in der Bildsprache, sowie in Form von individuellen oder kollektiven Handlungen – soziale oder gesetzliche Diskriminierung, politische Mobilisierung gegen Juden, und als kollektive oder staatliche Gewalt –, die darauf zielen, sich von Juden als Juden zu distanzieren, sie zu vertreiben oder zu vernichten“.
Damit kann Antisemitismus sowohl die Wahrnehmungsweise von Jüdinnen und Juden, die sich in Hass äußert, als auch verbale oder physische Handlungen gegen Jüdinnen und Juden bzw. jüdische Einrichtungen bedeuten. Auch Handlungen, die sich gegen Nicht-Juden, die vermeintlich-jüdische „Interessen vertreten“ bzw. fälschlich für Juden gehalten werden bzw. gegen Israel als „jüdisches Kollektiv“ können als Antisemitismus definiert werden.
Prof. Dr. Werner Bergmann beschreibt zusammenfassend Antisemitismus als „eine antimoderne Weltanschauung, die in der Existenz der Juden die Ursache sozialer, po- litischer, religiöser und kultureller Probleme sieht“. Aus dieser Weltanschauung entste- hende judenfeindliche Äußerungen, Tendenzen, Ressentiments, Haltungen und Handlungen sind antisemitisch.
In der repräsentativen Solinger „Mitte-Studie“ 2021 stimmten 6 % aller Befragten der Aussage „Juden haben in der Welt zu viel Einfluss.“ zu, 4 % Zustimmung erntete die These „Durch ihr Verhalten sind Juden daran mitschuldig, dass andere Menschen ihnen feindselig gegenüber stehen“. Ebenfalls stimmten 4 % der Aussage zu „Ich hätte ein Problem damit, wenn Jüdinnen/Juden in meiner Familie leben“. In der Gruppe derer, die maximal einen mittleren Bildungsabschluss erreicht haben und bei den Befrag- ten, die sich selbst als muslimisch verstehen, beträgt die Zustimmung zu antisemitischen Aussagen sogar 10 %.
Im November 2017 waren in Solingen Schülerinnen und Schüler aus den neun weiter- führenden Schulen unter anderem zu gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit be- fragt worden. In dieser Schulbefragung wurde auch Antisemitismus thematisiert. Dabei stimmten 11 % der befragten Schülerinnen und Schüler der Aussage zu, dass der Einfluss der Juden zu groß sei. 13 % der Schülerinnen und Schüler waren der Auffassung, dass die Juden zu viel bestimmen würden, unabhängig davon, ob sie persönlich jüdische Menschen kannten oder nicht. Jugendliche mit Migrationshintergrund stimmten dieser These eher zu als nicht Zugewanderte und das umso stärker, je kürzer die Zuwanderung zurücklag.
Im Mai 2021 kam es zu einem antisemitischen Vorfall in Solingen, nachdem vor dem Rathaus die israelische Landesfahne gehisst worden war. Die Solinger Stadtverwaltung erinnerte mit dem Hissen der Flagge an die Aufnahme diplomatischer Beziehun- gen zwischen Israel und Deutschland im Mai 1965 und wollte ein Zeichen der Freundschaft und Solidarität mit Israel und mit den Jüdinnen und Juden in Solingen und im Bergischen Land setzen. Noch in derselben Nacht wurde die Fahne vor dem Rathaus von unbekannten Tätern verbrannt.
Der Vorfall zeigt, dass das Phänomen Antisemitismus trotz einer – in der Mitte-Studie – quantitativ im Vergleich zu anderen Phänomenen eher geringen Zustimmung in Solingen handlungswirksam ist und einer erhöhten Aufmerksamkeit durch das Programm NRWeltoffen bedarf.
Die Fachgruppe Antisemitismus wurde initiiert und setzt unter Einbeziehung der Betroffenenperspektive folgende Aufgaben um:
- Ermittlung des Bestandes der Aktivitäten im Themenfeld
- Benennung von Bedarfen
- Entwicklung von Zielen
- Entwicklung struktureller Maßnahmen und Projekte
Maßnahmen
- Begegnungsangebote mit jüdischen Menschen
- Öffentliche jüdische Feiern in 2022 und 2023: “Solingen feiert Chanukka”
- Sensibilisierung für Antisemitismus