Ergebnisse der Erhebung im Handlungsfeld Arbeit und Wirtschaft

Die prägnantesten Ergebnisse der Befragungen werden auf dieser Seite in Kurzform dargestellt. Eine ausführliche Darstellung der Fragen und Ergebnisse finden sie in der folgenden pdf-Datei zum Download:

An der Erhebung haben sich neun Betriebsräte und 20 Geschäftsführungen von Unternehmen beteiligt. Trotz der geringen Fallzahl repräsentieren die beteiligten Betriebsräte und Unternehmen insgesamt mindestens 3.550 Mitarbeitende in Solingen, da viele der antwortenden Betriebsräte angaben, die Beschäftigten von großen Betrieben zu vertreten. Dennoch können die im Folgenden dargestellten Ergebnisse aufgrund geringer Fallzahlen nicht als repräsentativ eingeordnet werden. Die Aussagen derjenigen, die geantwortet haben, lassen jedoch inhaltliche Schlussfolgerungen zu.

Grunddaten des Unternehmens

Sieben von neun Betriebsräten gehören zu großen Unternehmen mit mehr als 300 Beschäftigten. Von den Geschäftsführungen gaben 12 von 20 an, Unternehmen mit bis zu 50 Beschäftigten zu leiten. Vier Unternehmen haben eine Mitarbeiterzahl von bis zu 100 Beschäftigten.

Sieben Betriebsräte gaben an, in einem international tätigen Unternehmen zu arbeiten. Die gleiche Angabe machten 65% der Geschäftsführungen. Alle durch die Betriebsräte beschriebenen Unternehmen und dreiviertel der durch die Geschäftsführung beschriebenen Unternehmen bilden aus.

Expertise in Diversity-Management

Bei den Solinger Unternehmen herrscht es ein relativ geringes Wissen über die Konzepte des Diversity- Management. Die befragten Geschäftsführungen sind über das Diversity-Management eher informiert als die Betriebsräte. Von den Betriebsräten geben 7 von 9 an, (so gut wie) noch nie davon gehört zu haben. Von den Geschäftsführungen gaben immerhin 20% ein „mittleres“ Informationsniveau an. Nur zwei Geschäftsführungen (10%) und ein Betriebsrat (11%) schätzten sich selbst in Richtung „ich bin Experte für unternehmerische Konzepte des Diversity-Managements“ ein.

Relevanz sozialer Gruppen

Im Rahmen von Diversity-Konzepten werden insgesamt sechs Kategorien sozialer Unterschiede unter dem Dach einer gemeinsamen Strategie der Ressourcennutzung und Antidiskriminierung behandelt. Auf die Frage, welche sozialen Unterschiede der Beschäftigten für den Unternehmensalltag relevant seien, wurde vor allem die Sprache und Behinderung genannt, gefolgt von den Kategorien Geschlecht, (3) ethnische Herkunft, (4) Religion/Weltanschauung (5) und sexuelle Orientierung (6), die somit von den meisten als „völlig irrelevant“ für den Unternehmensalltag angesehen wurde.

Diversity-Maßnahmen

Betriebsräte und Geschäftsführungen wurden auch nach konkreten Maßnahmen aus dem Diversity-Management befragt und inwieweit diese bereits umgesetzt werden, in Planung sind, eine gute Idee seien oder als nicht sinnvoll für den eigenen Betrieb angesehen würden. Betriebsräte finden mögliche Maßnahmen wesentlich sinnvoller als Geschäftsführungen. Darunter wurden folgende am häufigsten genannt:

  • Mentoring-Programme zur Förderung firmeninterner Karrieren
  • Diversity-Trainings oder -Workshops
  • Diversity-orientierte Sozialeinrichtungen (z.B. Kinderbetreuung, Betreuung Pflegebedürftiger)
  • Arbeitszeitflexibilisierung

Geschäftsführungen geben an, dass flexible Arbeitszeitregelungen im Allgemeinen (z.B. für Familienzeiten und unterschiedliche religiöse Feiertage) und für Ausnahmesituationen (wie die Erkrankung eines Angehörigen) sowie die Flexibilisierung des Arbeitsortes schon verstärkt umgesetzt würden. Die Implementierung einer Diversity-Abteilung bzw. einer dafür verantwortlichen Person wird hingegen mehrheitlich als nicht sinnvoll für den eigenen Betrieb bewertet. Zur Interpretation dieses Ergebnisses ist die überwiegend geringe Größe von unter 50 Mitarbeitenden pro Betrieb in der Stichprobe zu berücksichtigen.

Nutzenerwartung

„Welchen Nutzen von der Einführung von Diversity-Maßnahmen sehen Sie/würden Sie für Ihren Betrieb erwarten?“ Knapp 90 % der Betriebsräte sehen die Intensivierung der Mitarbeiteridentifikation als größten Nutzen für den Betrieb, gefolgt von mehr Mitarbeiterzufriedenheit. Diversity-Management als allgemeine Reaktion auf den gesellschaftlichen Wandel wird an dritter Stelle als Nutzen genannt. Dass entsprechende Strategien den Zugang zu Teilmärkten und die bessere Einbindung von externen Zielgruppen bewirken könnten, wird hingegen am wenigsten erwartet.

Die Geschäftsführungen nennen als Nutzenerwartung die erhöhte Mitarbeiterzufriedenheit, die bessere Nutzung von Personalressourcen und ebenfalls die Reaktion auf den gesellschaftlichen Wandel. Wirtschaftliche Faktoren (z.B. mehr Kosteneffizienz) werden allgemein nicht als möglicher Nutzen von Diversity-Management wahrgenommen.

Einstellungen zu Diversity

In der bundesweiten Studie (s.o.) wurde anhand des Antwortschemas zu Fragen der Einstellung zu Diversity-Themen eine Typologie der Unternehmen in Bezug auf Diversity-Management entwickelt, die die Kategorien der Skeptiker, Pragmatiker, Kommunikatoren und Strategen in einem Cluster-Verfahren benannte. Erwartungsgerecht versammeln sich in der Gruppe der Unternehmen, die die Charta der Vielfalt unterzeichnet haben wesentlich mehr Strategen (31%) und Kommunikatoren (30%) als dies in der Gruppe der Nicht-Unterzeichner der Fall ist (14% und 13%). 70% der so identifizierten „Strategen des Diversity-Managements“ sehen in Diversity „die Grundlage dafür, dass Unternehmen in Zukunft erfolgreich wirtschaften können. In Solingen stimmen etwas weniger als die Hälfte der antwortenden Unternehmensleitungen und Betriebsräte dieser Aussage zu. Innerhalb der Typologie der Unternehmen ordnen sich die Solinger Geschäftsführungen und Betriebsräte zwischen den Skeptikern und den Pragmatikern ein.

Nach Hindernissen für die Umsetzung von Diversity-Strategien gefragt, stimmen mehr als die Hälfte der Betriebsräte und ein Viertel der Geschäftsführungen der Aussage zu „Diversity hat sich immer noch nicht in allen Unternehmen durchgesetzt, weil Machtinteressen Einzelner im Weg stehen.“

Diskriminierung

Der Bereich der Bevorzugung oder Benachteiligung aufgrund der Tatsache, dass Mitarbeitende oder Kundinnen und Kunden Männer oder Frauen sind, einer bestimmten Altersgruppe angehören, zugewandert oder einheimisch sind, ist vielfältig. Daher kann hier nur ein sehr kleiner Ausschnitt angesprochen werden. Der Fokus in der vorliegenden Befragung lag auf dem Bewerbungs- und Einstellungsverfahren, der Auswirkung von sozial vielfältiger Mitarbeiterschaft auf Betriebsklima und Kundenbeziehungen und der spezifischen Situation von kopftuchtragenden Frauen.

Ein Großteil der befragten Betriebsräte wertet das Verhalten von Bewerberinnen und Bewerbern im Vorstellungsgespräch als das wichtigste Kriterium für die Einstellungspraxis in ihrem Betrieb. Außerdem seien die sprachlichen Fähigkeiten in der deutschen Sprache und der Schulabschluss ausschlaggebend. Der kulturelle Hintergrund, das Herkunftsland und die Religionszugehörigkeit werden als völlig unwichtig bewertet. Die Geschäftsführungen führen anstelle des Schulabschlusses die Sicherheit des Aufenthaltsstatusses bei nichtdeutschen Bewerberinnen und Bewerbern an. Als offensichtlicher Zusammenhang ist, dass ein unsicherer Aufenthaltsstatus aus Perspektive der Betriebsführungen auch ein höheres wirtschaftliches Risiko darstellt, sollte der Arbeitnehmer oder die Auszubildende aus aufenthaltsrechtlichen Gründen vorzeitig aus dem Betrieb ausscheiden müssen. Aus dieser Erkenntnis wurde eine der im nächsten Abschnitt genannten Strategien entwickelt. Sportliche Aktivitäten, die Herkunft und die Religionszugehörigkeit sind die unwichtigsten Kriterien für die Einstellung.

Bewerberinnen und Bewerber mit und ohne Migrationshintergrund haben nach Auskunft der Betriebsräte bei gleicher Qualifikation in Bezug auf Einstellungschancen, Ausbildungschancen und Lohn die gleichen Chancen im Betrieb. Am ehesten wird angezweifelt, dass alle Bewerberinnen und Bewerber die gleichen Aufstiegschancen haben würden.

Nach betrieblichen Maßnahmen gefragt, die zur Vermeidung von Benachteiligung angewendet würden, gaben 86% der Betriebsräte an, die Zustimmung zu Personalentscheidungen aus Gründen der Antidiskriminierung verweigert zu haben. Weitere Maßnahmen, wie die Thematisierung von Diversity bei Betriebsversammlungen (48%), entsprechende Betriebsvereinbarungen (29%) oder gar die Einrichtung einer Beschwerdestelle (14%) werden nur in geringem Ausmaß angewendet.

Betriebsklima und Kundenbeziehungen

„Mit Rücksicht auf die Erwartung der Kundinnen und Kunden“ geben 30% der antwortenden Geschäftsführungen an, dass es besser sei deutschstämmige Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen zu beschäftigen. Dagegen sehen 80% der Geschäftsführung es als überhaupt nicht oder weniger problematisch für das Betriebsklima an, wenn die Mitarbeiterschaft auch migrantisch geprägt ist.

Kopftuchtragende Frauen

Die Positionierung in der Hierarchie eines Unternehmens, d.h. Aufstiegschancen bzw. Limitierung durch eine „gläserne Decke“, die im Bereich der Geschlechtergleichstellung seit Jahrzehnten diskutiert werden, spielen für kopftuchtragende Frauen noch zu einem viel früheren Zeitpunkt eine Rolle. Sowohl Betriebsräte als auch Geschäftsführungen wurden gebeten einzuschätzen, bis zu welcher Position im Unternehmen „Muslimische Frauen, mit sehr guter Qualifikation, die aus religiösen Gründen ein Kopftuch tragen“ sehr wahrscheinlich in ihrem Unternehmen kommen könnten. 35% der Geschäftsführungen nennen „Angestellte mit Kundenkontakt“ ohne als höchstmögliche Position, weitere 29% „Angestellte mit Kundenkontakt“. Nur jeweils 2 von 20 halten es für wahrscheinlich, dass kopftuchtragende Frauen sich im unteren bzw. mittleren Management etablieren könnten. Ebenso gaben 2 von 20 an, dass diese Gruppe sehr wahrscheinlich überhaupt nicht in ihrem Unternehmen beschäftigt würde.

Die Einschätzung der Betriebsräte zu diesem Thema ist mit ganz leicht optimistischerer Tendenz sehr ähnlich.

Anonymisiertes Bewerbungsverfahren

Für 56% der befragten Betriebsräte und 85% der befragten Geschäftsführungen ist die Idee des anonymisierten Bewerbungsverfahrens vertraut.

Mehr als die Hälfte der Betriebsräte hält ein anonymisiertes Bewerbungsverfahren für sinnvoll. Ein Fünftel hält es hingegen für völlig überflüssig. Von den Geschäftsführungen hält mehr als die Hälfte ein solches Verfahren für überflüssig. Ein Fünftel sieht Vor- und Nachteile darin.

Die Erfahrungen mit einem anonymisierten Bewerbungsverfahren sind sehr gering: 18 von 20 Geschäftsführungen haben ein solches Verfahren noch nie umgesetzt. Die verbleibenden zwei Betriebe haben das Verfahren einmal ausprobiert und nicht weiter eingesetzt.

„Charta der Vielfalt“

Mehr als die Hälfte der Betriebsräte (fünf von neun Betriebsräten) und ein knappes Drittel der Geschäftsführungen (sechs von 20 Geschäftsführungen) haben noch nie von der „Charta der Vielfalt“ gehört. Im Gegensatz zu den Betriebsräten wissen mehr als ein Drittel der Geschäftsführungen, worum es dabei geht. Eingehend mit der „Charta der Vielfalt“ haben sich jedoch nur sehr wenige beschäftigt (jeweils ein Betriebsrat und eine Geschäftsführung). Nur eins der 20 antwortenden Unternehmen hat die Charta bisher unterzeichnet. Auf der Homepage der Charta sind zum Zeitpunkt der Erhebung nur zwei Solinger Betriebe verzeichnet.

Dennoch gibt es ein großes Interesse, sich an den Inhalten der Charta zu beteiligen: Zwei Drittel der Betriebsräte und 85% der Geschäftsführungen finden es sinnvoll, die „Charta der Vielfalt“ zu unterzeichnen. Hier setzt die zweite Strategie im Handlungsfeld Arbeit und Wirtschaft an, da die Motivation hoch und die Einstiegsschwelle für die Unternehmen vergleichsweise gering ist.

Unterstützung durch die Politik

„Welche Unterstützung im Hinblick auf Diversity wünschen Sie sich von der Politik?“ Sowohl von den Betriebsräten (67%) als auch von den Geschäftsführungen (58%) wird am ehesten der Abbau bürokratischer Hürden gewünscht. Zwei Drittel der Betriebsräte wollen eine Flexibilisierung der Ruhestandsregelungen, während nur ein Drittel der Geschäftsführungen angeben, hier weitere Unterstützung aus der Politik zu benötigen. Etwa die Hälfte alle Befragten hält es für sinnvoll, wenn die Politik darin unterstützt das Meinungsklima für Diversity durch geeignete Öffentlichkeitsarbeit zu unterstützen.