Global Home Tour

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Die Welt zu vermessen auf einem zweistündigen Rundgang durch Solingen ist ein ambitioniertes Unterfangen. Die BUND Jugend NRW hat eine sogenannte „Global Home Tour“ für die Klingenstadt erarbeitet, die Schülerinnen und Schülern die Zusammenhänge von Flucht und Migration und unserem Lebensstil und Konsum begreifbar machen soll.

Zum Einstieg gibt es am Fronhof ein Quiz zum Thema „Kolonialismus“: wieviele Menschen wurden während der Kolonialzeit als Sklaven aus Afrika verschleppt? Wieviele Kolonien hatte Deutschland? Drei, fünf oder sieben? Anschließend schicken die beiden Exkursionsleiter die Jugendlichen zu einer Umfrage in die umliegenden Cafés: wer bietet Fairtrade-Kaffee an und was wissen die Anbieter über die Anbaubedingungen?

Am nächsten Standort an der Clemenskirche in Sichtweite der Deutschen Bank werden auf dem Boden die Kontinente markiert. Die Schülerinnen und Schüler sollten sich so darauf verteilen, wie sie meinen, dass es dem Anteil an der Weltbevölkerung entspreche. Anschließend werden Walnüsse auf den Kontinenten verteilt, die den Anteil am Wohlstand darstellten. Dass es hier ein Ungleichgewicht gibt, ist den meisten Jugendlichen bewusst, das tatsächliche Ausmaß jedoch nicht. Überrascht sind sie in der Regel von der Verteilung der Flüchtlinge weltweit. Instinktiv stellen sich fast alle zuerst in Europa auf, aber kaum einer in Afrika. Dass hier tatsächlich ein Drittel der Schüler stehen müsste während es in Europa nur ein Neuntel sind, erklären die Tourleiter so: „Die meisten Menschen fliehen innerhalb ihres eigenen Landes oder ins Nachbarland. Sie hoffen darauf, so schnell wie möglich wieder nach Hause zurückkehren zu können.“ Der subjektive Eindruck, dass Europa von Flüchtlingen „überflutet“ werde, habe viel mit der Darstellung in den Medien zu tun.

Nach einem weiteren Stop vor dem Rathaus, wo es um Fluchtrouten geht, markiert den Endpunkt der Tour das Grundstück an der Unteren Wernerstraße, wo 1993 fünf Mitglieder der türkischen Familie Genc einem Brandanschlag zum Opfer fielen. Die Jugendlichen sollen hier zunächst berichten, was sie selber über den Anschlag wissen. Ein Zeitungsartikel, der von „Ausländerfeindlichkeit“ spricht, wirft die Frage auf, ob man jemanden, der seit über 20 Jahren seinen Lebensmittelpunkt in Deutschland hat, tatsächlich als Ausländer bezeichnen könne. Es werden die Begriffe Rassismus und Gleichwertigkeit besprochen, das Konzept der universalen Menschenrechte erläutert.

Die BUNDjugend NRW hat geflüchtete und nicht-geflüchtete junge Menschen zu Tour-Guides ausgebildet, die lokale Gruppen gründen und selbstorganisiert vor Ort eigene Stadtrundgänge durchführen können. Sie können sowohl von Schulen als auch von (Jugend-)gruppen gebucht werden. Die Touren sind kostenlos und dauern etwa 2,5 Stunden.

Global Home Tour mit einer Klasse des Humboldtgymnasiums, November 2018. Fotos: Daniela Tobias