Seit der Jahrhundertwende gibt es eine deutliche Tendenz unter Historiker:innen, das sogenannte »Dritte Reich« als eine »Konsensdiktatur« darzustellen. Der kanadische Historiker Robert Gellately argumentiert z. B., dass die sogenannte nationalsozialistische Machtergreifung in Realität keine war. Gewalt sei nur gegen kleine, sozial marginale Minderheiten angewendet worden, und ab Mitte 1933 sei das System der Konzentrationslager rapide abgebaut worden, so dass sich dort zwei Jahre später weniger als 4 000 Gefangene befanden, ein Zeichen dafür, dass die Nationalsozialisten die Bevölkerung überhaupt nicht mehr einzuschüchtern brauchten. Die Gestapo, so Gellately und auch der Historiker Götz Aly, sei eine sehr kleine Organisation gewesen: sie war kein allesüberwachender Terrorapparat, sondern verarbeitete von einfachen Bürgern eingesandte Denunziationen. Die deutsche Gesellschaft sei deshalb eine »selbstüberwachende Gesellschaft« gewesen. Die Mitte der 1990er Jahre von Eric A. Johnson und Karl-Heinz Reuband durchgeführte Befragung von älteren Deutschen, die das »Dritte Reich« miterlebt hatten, ergab, dass sich die überwiegende Mehrheit der Befragten im Rückblick nie gefürchtet hatte, von der Gestapo verhaftet oder in ein Konzentrationslager verschleppt zu werden. Auf der anderen Seite wird argumentiert, dass das Bild einer totalen Integration der Arbeiterschaft in die rassistisch bedingte nationalsozialistische »Volksgemeinschaft« ebenso einseitig sei; die Begriffe einer »sich-selbst überwachende Gesellschaft« oder einer »Zustimmungsdiktatur« (Götz Aly) unterschätzten sehr stark die terroristischen Elemente der nationalsozialistischen Herrschaft. In seinem Vortrag unternimmt Richard J. Evans eine kritische Auseinandersetzung mit beiden Seiten der Kontroverse und versucht, zu einem abgewogenen Ergebnis zu kommen.
Referent: Prof. Richard J. Evans wurde 1947 geboren und ist in London aufgewachsen.
Studium an der Universität Oxford,
Lehrtätigkeit in London und Cambridge.
Seit 2014 ist er emeritierter Professor an der Universität Cambridge.
Zahlreiche seiner Bücher sind auf Deutsch erschienen, u. a.: Das Dritte
Reich (3 Bde., DTV 2005-2010), Das europäische Jahrhundert (DTV 2016)
und Das Dritte Reich und seine Verschwörungstheorien (DVA 2020)
Keine andere historische Figur der belgischen Geschichte wird so kontrovers diskutiert wie Léopold II. von Belgien.
Denn Léopold war nicht nur belgischer Souverän, sondern auch Herrscher über ein riesiges Gebiet in Zentralafrika – den 1885 gegründeten “Kongo-Freistaat”.
Historiker sind sich einig, dass Leopolds Herrschaft im Kongo zu den dunkelsten Kapiteln der europäischen Kolonialgeschichte gehört. Die Wahrnehmung seiner Person in der belgischen Gesellschaft ist hingegen bis heute ambivalent.
Wie kommt es zu diesen unterschiedlichen Deutungen Léopolds II. und welche Faktoren bedingen eine kritische Auseinandersetzung mit dem Phänomen Léopold?
Referentin: Dr. Julia Seibert hat zur Geschichte des Kongo und zu Léopold II. publiziert – u.a. in dem Sammelband „Tyrannen: Eine Geschichte von Caligula bis Putin“, der 2022 bei C.H. Beck erschien.
Den Link zur Veranstaltung erhalten Sie am Freitag vor der Veranstaltung gegen 14:00 Uhr per Mail.
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Vor 90 Jahren eröffnete der Wuppertaler Polizeipräsident und SA-Brigadeführer Willi Veller ein Schutzhaftlager in einer leerstehenden Fabrik. Das »Konzentrationslager Wuppertal-Barmen«, so der offizielle Name, wurde das größte Lager für Schutzhafthäftlinge für den gesamten Regierungsbezirk
Düsseldorf. Nach neusten Forschungen waren dort vom 5. Juli 1933 bis zum 19. Februar 1934 insgesamt 2.000 Antifaschisten und Aktivisten vor allem aus der Bergischen Arbeiterbewegung inhaftiert. Aus Solingen waren mindestens 90 Antifaschisten in der Kemna eingesperrt. Heinrich Schroth, der spätere
Landtagsabgeordnete und Theo Deis, der bekannte Spanienkämpfer, wurden besonders schwer gefoltert. Inhaftiert wurden Nazigegner jeder Couleur: Kommunisten, Sozialdemokraten, Zentrums-Anhänger, Polizei- Gewerkschafter, aber auch in Ungnade gefallene SA-Leute und Polizisten.
Auf der Veranstaltung soll es auch um die Strafverfolgung der NS-Täter aus der Wachmannschaft, aus der Politischen Polizei und der SS gehen. Schließlich sollen die aktuellen »Geschichtspolitiken« und die vorgeschlagenen historisch-politischen Konzepte am Beispiel des neuen »Geschichtsortes Kemna« diskutiert werden.
Referent: Dr. Stephan Stracke ist Mitglied des Vereins zur Erforschung der Sozialen Bewegungen im Wuppertal e.V. Er studierte Geschichte an der Bergischen Universität Wuppertal und promovierte an der FU Berlin
mit einer Arbeit über die Wuppertaler Gewerkschaftsprozesse
Als Ruth Loewenthal wurde die spätere Journalistin und Schriftstellerin 1924 in Fürth geboren, dem „fränkischen Jerusalem“. 1936 emigrierte die Familie nach Johannesburg / Südafrika, wo der Vater ein Lebensmittelgeschäft betreibt. Ruth heiratet den Buchhändler Hans Weiss und schreibt trotz ihres eigentlichen Wunsches, Jura zu studieren, journalistische Texte – zunehmend auch für deutsche Medien. Darin – und auch in ihrem Jugendbuch „Meine Schwester Sara“ – positioniert sie sich gegen die Apartheid, die sie an ihre eigene Ausgrenzung als jüdisches Kind erinnert. Ruth Weiss lebt in verschiedenen Ländern Afrikas, in London, Köln und zuletzt in Dänemark bei ihrem Sohn, wurde vielfach ausgezeichnet und symbolisch für den Friedensnobelpreis nominiert. Noch in diesem Jahr sprach sie am 27. Januar im Landtag NRW zum Holocaust-Gedenktag.
Referentin: Stefanie Mergehenn
In Kooperation mit der Gleichstellungsstelle der Stadt Solingen.
Der Vortrag kann in Präsenz (Forum der Berg. VHS, Mummstr. 10, SG-Mitte) oder per Zoom verfolgt werden.
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Ist Israel eine Demokratie? Ist Israel ein Apartheidstaat? Ist Kritik an Israel antisemitisch? Ist Israel ein fundamentalistischer Staat? Gehört Palästina den Palästinensern?
Richard C. Schneider, SPIEGEL-Autor und langjähriger Israel-Korrespondent der ARD, lebt seit fast 20 Jahren in Tel Aviv, kennt Alltag und Geschichte des Landes und weiß um die gängigen Vorbehalte und Vorurteile in Deutschland.
Bei den Antworten auf diese fünf Fragen setzt er an, um einige grundlegende Dinge über Israel zu erklären – 75 Jahre nach der Staatsgründung Israels und in einem entscheidenden Moment für die Demokratie des Landes.
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