Auch 90 Jahre nach der “Machtergreifung” der Nationalsozialisten bleibt die Frage nach dem “Wie war das möglich?” weiter aktuell. Insbesondere in Solingen, neben Remscheid die Hochburg der KPD, stellt sich die Frage, wie konnte der Nationalsozialismus das “rote Solingen” so schnell besiegen. Ein Blick in die (Solinger) Krisenjahre 1931-1933 mit Massenarbeitslosigkeit, sozialem Elend und Gewerkschaftsspaltung auf der einen Seite und auf der anderen Seite einer stark verankerten KPD, die den Einfluss der NSDAP und ihrer Milizen lange Zeit begrenzen konnte und gleichzeitig versuchte (oft vergeblich), in der Krise Abwehrkämpfe in den Betrieben zu entfachen.
Der Historiker Stephan Stracke präsentiert neue Forschungsergebnisse zu den sozialen Auseinandersetzungen und antifaschistischen Kämpfen im krisengeschüttelten Solingen.
Kursnummer: 231S104003
Für die Nationalsozialisten galten psychisch Kranke und Menschen mit Behinderungen als Träger von Erbkrankheiten, die keinen Platz in der von ihnen angestrebten „Volksgemeinschaft“ hatten. Entsprechend der damaligen Gesetzgebung wurden seit 1934 mehrere Hundert Solinger*innen zwangssterilisiert. Mit der Entfesselung des Zweiten Weltkrieges begann 1939 der Massenmord an Menschen mit körperlichen, geistigen und seelischen Behinderungen. Wiederum zählten Solinger*innen zu den Opfern. – Der Vortrag gibt einen Überblick über das Thema. Verfahren und Akteure werden benannt, im Mittelpunkt stehen die Schicksale von Betroffenen und Ermordeten.
Der Historiker Armin Schulte ist wissenschaftlicher Mitarbeiter des Stadtarchivs Solingen und beschäftigt sich seit Jahren mit dem Thema.

Einer der wichtigsten Faktoren nationalsozialistischer Machtdurchsetzung in den Jahren 1933-34 war die Sturmabteilung (SA), der paramilitärische Arm der NSDAP. Aus ihren Reihen wurden in den ersten Monaten des Jahres 1933 Polizeihilfseinheiten gebildet, die vor allem brutal gegen die politische Linke und Juden vorgingen. Ein gesellschaftlicher Rechtsruck, die Angst vor einer kommunistischen Revolution, aber auch eine Mischung aus Selbstermächtigung und anhaltender Frustration auf Seiten langjähriger Nationalsozialisten trugen zu dieser Gewaltwelle bei. Sie wurde von weiten Teilen des Bürgertums schweigend hingenommen und mitunter sogar als „reinigendes Gewitter“ begrüßt.
Daniel Siemens ist Professor für europäische Geschichte an der Newscastle University in Großbritannien und Experte für die Geschichte der SA.
In Kooperation mit dem Katholischen Bildungswerk Wuppertal/Solingen/Remscheid und der Bildungs- und Gedenkstätte Max-Leven-Zentrum Solingen e.V.
Kursnummer: 231104008

Kaum hatte sich das Infektionsgeschehen der Covid-19-Pandemie so weit beruhigt, dass man auf die baldige Beendigung der Coronakrise hoffte, da zerstörte der Ukrainekrieg im Februar 2022 alle Illusionen hinsichtlich einer ungestörten Wohlstandsentwicklung. Die wirtschaftlichen Verwerfungen der Coronakrise hatten die wachsende sozioökonomische Ungleichheit als Kardinalproblem der Bundesrepublik nicht bloß klarer ins öffentliche Bewusstsein treten lassen, sondern auch verschärft. Wegen der sich anschließenden Energiekrise nahmen die inflationären Tendenzen weiter Fahrt auf.
Bedingt durch die enorme Verteuerung der Haushaltsenergie, steigende Lebenshaltungskosten und die Geldentwertung, entsteht eine verborgene oder versteckte, statistisch nur schwer zu erfassende Armut. Während das Einkommen vieler Mittelschichthaushalte oberhalb der EU-Armutsrisikoschwelle liegt, überfordern die hohen Ausgaben solche Menschen derart stark, dass ihre Kaufkraft darunter sinkt.
Die soziale Abwärtsspirale schadet dem gesellschaftlichen Zusammenhalt und stellt eine Gefahr für die Demokratie dar. Umso wichtiger ist es, mit tiefgreifenden Reformen und Schritten der ökologischen Transformation statt weiterer teurer Aufrüstungsmaßnahmen die richtigen politischen Lehren aus der Coronakrise, dem Ukrainekrieg und der Inflation zu ziehen.
Bild Christoph Butterwegge: Westend-Verlag
Mit Referentin Birgül Demirtas (M.A.), Bildungsbeauftragte beim Informations- und Dokumentationszentrum für Antirassismusarbeit in NRW.
Deutschland erlebte die Vereinigung der westlichen BRD und der östlichen DDR in der neuen Bundesrepublik Deutschland im Jahr 1990. Die anfängliche Jubelstimmung veränderte sich im vereinten Deutschland und wurde zur Hasspropaganda, vor allem gegen sogenannte Migranten und Migrantinnen. Sie spitzte sich zu und führte zu den rassistischen Anschlägen in Rostock, Mölln und Hoyerswerda.
Dann kam die Brandnacht des 29. Mai 1993 in Solingen!
Fünf junge Frauen und Mädchen starben: Saime, Hülya, Hatice Genç, Gürsün Ince und Gülüsten Öztürk verloren ihr Leben.
Der Schock, der Verlust, die Trauer waren für die Angehörigen unerträglich und schmerzhaft! Wie groß waren Entsetzen, Trauer und Hilflosigkeit vieler Menschen in der Stadt Solingen. Wie groß aber auch die Empörung und die Wut über den heimtückischen Brandanschlag! Diese ersten Reaktionen in der Solinger Bevölkerung, sowohl unter Türken als Deutschen haben die Älteren unter uns noch lebhaft vor Augen. Aber darum soll es an diesem Abend “30 Jahre danach” nicht gehen. Sondern es soll um die psychischen Folgen in der türkischen Bevölkerung gehen.
Und wir fragen:
Welche Folgen und Auswirkungen hatten diese Erlebnisse bei Kindern und Jugendlichen? Wie entwickelten sie sich in dem politisch aufgeheizten Klima in Solingen, in Deutschland, in Europa? Trifft der Satz zu “Die Zeit heilt”? Oder gibt es vererbte Folgen in den nächsten Generationen? Ängste, die kollektiv übernommen werden?
Birgül Demirtas forschte beispielhaft während ihres Studiums an der Düsseldorfer Hochschule und befragte Menschen aus der türkischen Community in Solingen, als diese bereits erwachsen waren und eigene Familien gegründet hatten.
Beim rassistischen Brandanschlag in Solingen starben am 29. Mai 1993 fünf Mädchen und junge Frauen: Gürsün İnce, Gülüstan Öztürk, Hatice, Hülya und Saime Genç. Das Ereignis prägte Menschen und Familien mit Migrationsgeschichte nicht nur in Solingen und Nordrhein-Westfalen, sondern in ganz Deutschland. Es ordnet sich ein in eine längere Geschichte von Rassismus und rechter Gewalt, die in alte Bundesrepublik zurückführt. Schon vor Mauerfall und Vereinigung war Rassismus omnipräsent – im Alltagsleben und im öffentlichen Raum ebenso wie in Bildungsinstitutionen oder Behörden.
Der Vortrag von Prof. Dr. Franka Maubach, Bergische Universität Wuppertal, widmet sich den politischen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen dieser Rassismuserfahrungen. Im anschließenden Gespräch berichten Studierende der Bergischen Universität von Interviews, die sie im Rahmen eines Projektseminars zum Thema durchgeführt haben. Aus diesen Quellen lassen sich die vielfältigen Reaktionen auf den Brandanschlag in Solingen ebenso erschließen wie die tiefen Prägungen, die vergangene und gegenwärtige Rassismuserfahrungen in der eigenen Biografie hinterlassen haben.
Dr. Erna Rüppel (1895-1970), eine beliebte Solinger Kinderärztin, hatte Dramatisches erlebt. Als Abkömmling einer bekannten jüdischen Solinger Stahlwaren-Industriellenfamilie etablierte sie ihre Arztpraxis. Seit dem Machtantritt der Nationalsozialisten wurden ihre beruflichen und politischen Rechte zunehmend eingeschränkt, bis sie die Arztzulassung verlor. Eine Zeitlang konnte sie sich als Krankenschwester halten, dann änderte die Zuteilung zu einer Deportation alles. Sie tauchte unter und führte ein Leben in der Illegalität. Ihr persönlicher Mut rettete ihr letzten Endes das Leben.